Einige finden es lächerlich, unglaubwürdig oder einfach nun mal Poserei, Fotos vom Üben zu machen. Ich stimme dem teilweise zu: Die umliegenden Fotos sind ebenfalls inszeniert und haben nur teilweise etwas mit den tatsächlichen Szenen des Übens ohne Kamera zu tun. Das reguläre Üben erscheint oft unspektakulärer, wobei es natürlich auch Schnappschüsse gibt, die jedoch oft nicht zustande kommen, weil meistens niemand neben uns steht, um diese Aufnahmen zu machen.
Wenn eine Kamera auf uns gerichtet ist, verändern wir uns — teilweise ganz unmerklich, egal wie sehr wir versuchen, natürlich zu bleiben. Der Versuch, die Kamera nicht zu bemerken und uns nicht beeinflussen zu lassen, stellt bereits eine Veränderung dar. Damit habe ich mich in einigen Seminaren meines Studiums auseinandergesetzt. Ganz nebenbei sind die Speicherkapazitäten, um einen ganzen Übungsprozess aufzunehmen, enorm und würden meine persönlichen Speicherkapazitäten sprengen.
Ist so eine Inszenierung nun etwas Verwerfliches? Ich würde sagen: „Nein.“
Es hat viele Facetten, wenn wir uns erlauben, uns selbst in Pose zu setzen. Selbstwert ist ein großes Thema, und sich auf einem Foto oder Video vorteilhaft zu präsentieren und dies öffentlich zu zeigen, verändert etwas in uns. Zudem ist der Vorführungscharakter von Taiji - Formen fester Bestandteil in China.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass ein positives Gefühl zu uns und unserem Körper essenziell für den freien Fluss des Qi’s ist. Fühlen wir uns unwohl, verkrampfen wir, spannen an und zeigen uns nicht so, wie wir sind. Ich empfehle meinen Schülerin und Schülern oft, sich aufzunehmen, um zu sehen, wie toll sie sich bewegen können. Gleichzeitig können sie auch erkennen, wo es nicht so rund läuft. Eine gängige Methode im Sport. So kann sich das Selbstbild mit dem tatsächlichen äußeren Bild verbinden. Das ist kein leichtes Thema! So kann die eigene Präsentation Bestandteil des Übens sein.
Auf diese Weise können wir uns vielleicht ganz neu kennenlernen, wie wir uns vorher noch nicht gesehen haben. Es ist ein weites Feld, in dem viele weitere Aspekte eine Rolle spielen, wie beispielsweise, wie wir von anderen wahrgenommen werden. Die Verzerrung unserer Wahrnehmung durch unser Selbstbild kann groß sein. Zudem gibt es eine Verzerrung unserer Wahrnehmung auf physiologischer Ebene durch ein neuronales Referenzsystem. Sind wir beispielsweise daran gewöhnt, sehr krumm zu gehen, kann uns unsere Haltung in unserer Körperwahrnehmung aufrecht erscheinen. Sehen wir uns dann auf einem Foto, fällt uns auf, wie sehr wir nach vorne gebeugt sind.
Darüber hinaus halte ich es für wichtig, zu zeigen, wie bereichernd Taiji und Qigong sein kann. Für Menschen, die noch nie Taiji oder Qigong geübt haben, kann dies ein Türöffner sein, um erstes Interesse zu wecken. Das diese Menschen in die Tiefe und aus der äußeren Form nach Innen geführt werden, liegt an uns. Ich selbst begann meine Reise in den Kampfkünsten und weiterführend zu den inneren Kultivierungswegen, weil ich Jackie Chan hab Steine durchschlagen sehen. Für andere Praktizierende von Taiji und Qigong kann ein anderes Bewegungsmuster, ein Foto vom Üben in der Natur oder eine aufregende Anwendung inspirierend sein.
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