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Nichts ist so beständig wie der Wandel. Alle Dinge sind im ewigen Fluss, im Werden, ihr Beharren ist nur Schein.“

Heraklit


Die Kultivierung der Fähigkeit, im ständigen Wandel zu sein, ist ein essenzieller Teil der Übungspraxis auf den daoistischen Wegen. Jeden Tag durchlaufen wir ständigen Wandel: Die Sonne geht auf und unter, das Wetter verändert sich, die Wolken ziehen an uns vorbei, Menschen werden geboren und sterben, wir schlafen und wachen auf. Alle Dinge befinden sich im ständigen Wandel.


Wandel im Kontext unsere Gesundheit

Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist Stagnation oder ein nicht harmonischer Wandel die Ursache von Krankheit. Diese Stagnation betrifft nicht nur den Körper, wie beispielsweise bei einer einseitigen Ernährung oder der falschen Kleidung zur richtigen Jahreszeit, sondern es muss auch in uns selbst ein dauerhafter Wandel vorhanden sein. Selbstbilder wie „der ewig ruhige, besonnene Taiji-Übende“ führen dazu, dass wir bestimmte Anteile in uns nicht natürlich wandeln lassen. Angestaute Emotionen und Bedürfnisse führen zu Blockaden, die uns krank machen. Der freie Fluss des Qi ist gestört, weil der Geist ein Bild von uns formt, das nicht mit unserem Erleben und den äußeren Umständen übereinstimmt. Oft wird hier von Leber-Qi-Stagnation gesprochen. Die Leber ist nach der TCM für unser Spannungsniveau auf faszialer und muskulärer Ebene verantwortlich.

Die Psychosomatik erklärt dies ebenfalls aus westlicher Sicht. Starre Denk- und Verhaltensmuster führen zu einem angespannten, unflexiblen Körper. Bei einer Depression, die nach freudianischer Auffassung unterdrückte Wut ist, ist die Spannung im Ruhezustand so hoch, dass Betroffene ohne sportliche Aktivität unter Muskelkater leiden.

Geht unser tiefster Kern, unser Shen (Geist im höheren Sinne), nicht mit unserem Yi (Verstand) einher, leben wir auf Dauer nicht im Einklang mit uns selbst und unserer Umwelt. Das führt dazu, dass wir zwiespältige Entscheidungen in unserem Leben treffen. Wer kennt es nicht? Auf Verstandesebene wissen wir, dass dies oder jenes nicht gut für uns ist, trotzdem rauchen wir, essen die Tüte Chips oder pflegen Beziehungen, die uns im Grunde nicht gut tun, während wir Menschen, die uns gut tun, nicht so behandeln, wie wir es gerne würden. Kognitiv sind wir meist in der Lage, dies zu verstehen. Überzeugungen, die jedoch oft viel tiefer in uns verborgen sind, lassen uns anders fühlen und anders handeln. Irrationale Ängste, die in uns gespeichert sind, Stagnationen, Blockaden und Schutzmechanismen wie „das bin ich nun mal“, „das war schon immer so“, „das kann ich einfach nicht“ oder „ich kann mich nicht wehren“ führen dazu, dass wir verharren. Dahinter liegen tiefgreifende Prägungen und Erlebnisse, die uns geformt haben.


"Wer neu anfangen will, soll es sofort tun, denn eine überwundene Schwierigkeit vermeidet hundert neue."

Konfuzius


In der systemischen Therapie gibt es das Bild eines Mobiles, das verdeutlichen soll, wie wir in unseren Beziehungen im ständigen Wandel sein müssen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Verändert sich ein Teil des Mobiles, bewegen sich alle Teile. Bis sie sich wieder in stiller Harmonie befinden, bedarf es einer Zeit, bis sich alle Teile an ihrem neuen Ort gefunden haben. Teile, die nicht mehr ins Gleichgewicht passen, müssen das Mobile verlassen.


Wechseln zu können – in einem Moment nachgiebig und zurückhaltend, im nächsten Moment klar und deutlich – ist eine Fähigkeit, die wir im Taiji, Qi Gong und Neidan Gong auf viele Weisen kultivieren. Wir werden unter Druck gesetzt, dem wir weich wie Wasser ausweichen, um im nächsten Moment kraftvoll wie ein Drache zu agieren.


Der Musiker im Orchester muss sich immer seinen Mitspielern anpassen, damit sogar die Hirnwellen miteinander schwingen. Wenn der Musiker allein spielt, schwingt er von Ton zu Ton und sucht nach Harmonien.

Der Maler befindet sich in ständiger Kommunikation mit seinem Werk und reagiert auf jeden gesetzten Pinselstrich.

Der Kampfkünstler übt die Fähigkeit, unter Stress einen ruhigen Kopf zu bewahren und weiterhin auf seinen gegenüber zu reagieren, um die Fähigkeit zur ständigen Anpassung zu erlangen.


„Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. “ 

Albert Einstein


Mut zum Wandel

Wandel bedeutet zunächst einmal aus evolutionärer Sicht Stress für den Organismus. Gewohnte Situationen sind für uns leicht einschätzbar und bedeuten wenig Energieaufwand. So ist der Zustand des Verharrens im Altgewohnten verständlich. Ungewohnte Situationen verlangen von uns, Energie aufzuwenden, um sie zu bewältigen. Im schlimmsten Fall so viel Energie, dass sie unsere Grenzen überschreitet, oder wir zumindest glauben, dass sie unsere Grenzen überschreiten. Oft ist es die Vorstellung vom Unbekannten, die uns am Alten festhalten lässt. Vielleicht sind wir dem, was uns dann erwartet, nicht gewachsen, wir werden überwältigt oder empfinden das Entdeckte als unangenehm. Es gibt viele verschiedene Stolpersteine, die uns auf dem Übungsweg der Wandlung begegnen können. Je mehr wir versuchen, in neuen, ungewohnten Situationen gleich zu bleiben, desto mehr Energie kostet uns das jedoch – ein Paradox.


Besonders im Taiji Quan, das zu Beginn klare Übungsstrukturen vorgibt, kann das Bild entstehen, dass es die eine richtige Form gibt. Sei es ein Übungsablauf, ein Stil oder eine Ausführung. Diese klaren Strukturen haben ihren Wert. Im Chinesischen bezeichnet man formhafte Übungen als „Jo Wei“. Vielleicht kommt einem hier der gegenteilige Begriff „Wu Wei“ (Formloses) in den Sinn, ein Begriff, der in vielen Werken viel Aufmerksamkeit erhält und als höchstes anstrebenswertes Ziel gilt. Ein schwingungsfähiges Gleichgewicht ist hier ebenso vonnöten. Das klassische Taiji „Stehen wie eine Kiefer“ ist hierfür ein wundervolles Beispiel. Die formhaften Übungen sind den meisten Taiji-Übenden bekannt: Scheitel stützt den Himmel, Füße verwurzelt, Becken gekippt etc. Die Tatsache, dass es unterschiedliche Ausführungsarten gibt, je nach Stil, spricht dafür, dass hier verschiedene Ziele und Ansätze zu einer veränderten Form führen. Je schwingungsfähiger wir in einer Übung werden, desto mehr können wir in ihr entdecken. Bleiben wir hingegen mit aller Macht im formhaften Üben und versuchen, die vorgegebene Struktur mit aller Kraft zu halten, stagnieren wir.


Ebenso stagnieren wir, wenn wir die Arme sinken lassen, uns hinsetzen und den Fernseher einschalten. Ein Anpassungsprozess muss im Stehen durchlaufen werden. Traditionell folgt der Schüler, mit östlichem Gehorsam, einfach so lange den Anweisungen des Meisters, bis die Anpassung von ganz allein eintritt. Westlich, wenn wir nicht anders disziplinär geprägt sind, könnte ein Öffnen des Geistes nötig sein. Wir behalten die Struktur, doch indem wir weich werden, wird der Körper durchlässig, löst die kleinsten Blockaden und passt sich in jedem Moment immer wieder neu an, sodass die Kraft nach unten abfließen kann und uns natürlich Energie durchfließt, wodurch wir uns natürlich ausdehnen können. Hier kann ein Moment der wirklich stillen Achtsamkeit entstehen, in dem wir nicht absichtsvoll sind, sondern uns ganz dem hingeben, was uns die äußere Struktur abverlangt.

Je schwingungsfähiger und gelöster wir sind, umso weniger Energie benötigen wir, um uns auf den Wandel einzustellen. Fließen wir einfach mit, sorgt unser Überleben für sich selbst. Verschiedene Gründe können uns glauben lassen, dass wir uns nicht verändern können. Haben wir wenig Vertrauen in uns selbst, unsere Fähigkeiten oder unsere Umwelt, desto mehr ängstigt uns der Wandel. Heutzutage spricht man hier von Resilienz, „der Eigenschaft psychischer Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“. Wobei ich persönlich mit dem Begriff Widerstandskraft nicht vollkommen übereinstimme. Eher setzt sich dieses Gefühl aus genährt sein und daraus resultierender Fähigkeit zusammen, schwierige Situationen bewältigen zu können. Aus daoistischer Perspektive ist dies die Kraft des Wassers.


Die Wasserübungen des Neidan Gong haben genau dies zum Ziel. Wie auch schon im Dao De Jing beschrieben:


Kapitel 8

Das höchste Gute gleicht dem Wasser.

Des Wassers Gutsein: Es nützt den zehntausend Wesen,

Aber macht ihnen nichts streitig;

Es weilt an Orten,

Die die Menge der Menschen verabscheut.

Darum ist es nahe dem Weg.

Übersetzung Günther Debon


Die Qualität des Wassers als höchste Verkörperung des Wandels und des Lebens.


Körper und Geist sollen im Üben wie Wasser werden.


Erstaunlicherweise ist eine weitere Beschreibung der griechischen philosophischen Lehre der Panta Rhei ganz ähnlich zu den Beschreibungen der Wasser-Übungen:


„Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“


Stellen wir uns vor, in einem Fluss zu stehen, und das Bewusstsein (Yi) dringt in den Körper ein; der Geist bewegt den Körper. Der Körper fließt frei, wie das philosophische Zitat beschreibt – durch den Körper hindurch lösen wir Blockaden. Verspüren wir tiefgreifende Gelöstheit, spiegelt sich dies wiederum auf unsere Psyche. Das Bewusstsein (Yi) wird durch die Bewegung des Körpers in einen freien, selbstvergessenen, fließenden Zustand geführt.


Mein Persönlicher Wandel

Inspiration zu diesem Blogeintrag war ein größerer persönlicher Wandel, der sich nun über einige Zeit erstreckt hat. Seit der 7. Klasse wollte ich in Ottersberg Kunsttherapie studieren. Mit der Zeit hat sich ein Bild als Kunsttherapeut in mir geformt. Fünf Jahre bis ich die Schule beendet habe, ein Jahr Bundesfreiwilligendienst im Kindergarten, vier Jahre Studium und vier Jahre Berufsalltag als Kunsttherapeut, bis ich nicht mehr war, was ich sein wollte.


"Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen."

Paulo Coelho


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Wer den vorherigen Blogeintrag Durch ein offenes Herz zum "Drachen und Tiger Treffen 2024" gelesen hat, weiß bereits, wie ich dazu gekommen bin, 2024 auf dem "Drachen und Tiger Treffen" zu unterrichten. Nun war es soweit.

Da ich vor so vielen Menschen noch nie unterrichtet habe, war ich dementsprechend aufgeregt. Zudem waren es nicht nur viele, sondern auch erfahrene Übende und sogar sehr erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, die meinem Unterricht beiwohnten.


Unter ihnen Hella Ebel, Brigitte und Ditmar von Taichi Chuan Bremen e.V., Sasa Krauter, Alexander Klepp, Cornelia Gruber, Mirke de Kruijf und noch einige mehr.


In den Vorbereitungen zu meinem Unterricht überlegte ich, was ich als junger Lehrer erfahrenen Taiji-Praktizierenden mitgeben könnte. Durch meine Neidan Gong-Ausbildung und meinen beruflichen Background stehen der gesundheitliche Aspekt und die innere Kultivierung bei mir im Unterricht im Vordergrund. In der ersten Übungsstufe des  Neidan Gong wird strukturiert und sehr gründlich auf die verschiedenen Körperschichten (Blut, Fleisch, Knochen und Haut) geschaut und wie das Üben dieser Schichten uns als ganzen Menschen berühren kann. So entschloss ich mich die Übung der Wolkenhände zu nutzen, eine Bewegung, die fast jeder Taiji Praktizierende bereits einmal kennengelernt hat. Durch eine intensive Vorbereitung der einzelnen Körperschichten kann in der Bewegung immer wieder die Veränderung des Seins erlebbar gemacht werden.


Anerkennung und mein Herz

Vor einiger Zeit auf einem Taiji Form - Seminar fragte mich mein Lehrer mitten in einer Position, wie es meinem Herzen gehen würde. Mir fiel schlagartig die Brust zusammen und ich fühlte mich ertappt in meinen krampfhaften Bemühungen, so tief ernst und angespannt wie möglich zu brillieren. Mein Lehrer spiegelte mir, dass er öfter bei mir wahrnahm, wie ernst ich sei und wie verbissen. Ein Zustand, der mit Qi - Stagnation einhergeht. Die Korrektur: das Herz öffnen! Nicht nur im Formlaufen, sondern auch im Leben, damit das ständig strebende Gefühl Erlösung finden kann und das Qi wieder frei in alle Richtungen fließt. Ähnlich wie im Tuishou. Wer zu sehr strebt, verliert das Gleichgewicht. Leichter gesagt als getan. Jedes Lob, jede Anerkennung wurde bisher zwiespältig vom Herzen misstrauisch beäugt, hinterfragt und nicht angenommen.

Wie beschrieben, durfte ich vor vielen sehr fähigen Taiji-Begeisterten dieses Wochenende unterrichten. Eine wahre Probe und Chance fürs Herz!

Ich erinnerte mich und ergriff die Chance. Und mir wurde eine Möglichkeit nach der nächsten zuteil. So bestand meine größte Übung dieses Wochenende daraus, stehen zu bleiben, weich zu bleiben und anzunehmen, was mir entgegengebracht wurde. Innen und Außen zu beobachten und in Verbindung damit zu gehen. Es gab Applaus nach meinen Unterrichtseinheiten, die oben erwähnten Lehrer, kamen zu mir, lobten mich, meine Qualitäten und freuten sich darüber mich als nächste Generation zu sehen. Ein Wunsch, den ich tief in mir hegte. Völlig beseelt bin ich mit dem tiefen vertrauen aus dem Wochenende gegangen, ein guter Lehrer geworden zu sein und selbst stolz auf mich zu sein.


Freies Pushen

Nach dem Unterricht und der Mittagspause ging es täglich ans freie Pushen. Schnell und wendig - das sind meine Qualitäten und damit bin ich bei den wenigen Tuishou -Begegnungen meist auch ganz gut zurechtgekommen. Bei den ersten Berührungen am Freitag funktionierte dies auch wieder ganz akzeptabel. Es sei erwähnt, dass sich meine freien Push-Erlebnisse bis zu diesem Wochenende an einer Hand abzählen ließen.

Dann traf ich auf Ditmar, vom "Taichi Chuan Bremen e.V.". Schnell wurde mir klar, dass meine bisherige Strategie nur funktionierte, wenn ich jemanden als Gegenüber habe, dessen Struktur nicht sonderlich klar ist, dessen Qi nicht richtig gesunken ist und derjenige/diejenige vielleicht sogar schlicht und ergreifend körperlich schwächer war. Jeder wendige Fluchtimpuls wurde von Dietmar knallhart bestraft! ZACK!!! und wieder ein leichter Druck von der Seite von ihm und mein Gleichgewicht war gebrochen. Kein Wunder

bei meinen Verrenkungen, die ich anstellte, um meine eigene fehlende Struktur auszugleichen. Sanft, aber bestimmt ließ mich Ditmar unnachgiebig spüren. Genauso sanft und verständnisvoll, wie er mich aus dem Gleichgewicht brachte, sprach Ditmar zu mir und schilderte mir seinen Eindruck, wie er auch mich im Kontakt las. In keinem Moment hatte ich den Eindruck, dass er etwas aus seiner Überlegenheit heraus beweisen wollte. Er war einfach aufrichtig und daran interessiert, mit mir zu üben und zu lernen.


Beim Tuishou geht es nun mal nicht ums Gewinnen, sondern um Fühlen, Hören und Begreifen. Besonders durfte ich dies mit den ganz erfahrenen Taiji-Hasen und Häsinnen erkennen. Zu pushen mit jemanden der 45 Jahre älter und ein Kopf kleiner ist, ist wirklich etwas Besonderes und ein Geschenk. Hier hat man die Möglichkeit sich wirklich ganz auf die Essenz des Pushens zu besinnen. Kraft oder Schnelligkeit wäre in jedem Maße vermessen und nicht fair. Natürlich sind die Grundkonstitution die hier aufeinandertreffen verschieden. Durch das Pushen mit Ditmar und dessen Aufschlüsselung wusste ich auch schon bei leichtem Druck, wann ich eigentlich aus meiner Mitte gebracht wurde. Da musste ich nicht in Gänze aus dem Gleichgewicht gebracht werden. So konnte ich auch in der

leichten Berührung genau spüren, wann mein Gleichgewicht gebrochen war.


Jede neue Erfahrung im Kontakt mit einem neuen Partner, war eine neue Lektion. Zwei eindrückliche Erlebnisse möchte ich noch mit euch teilen. Als ich mit Mirka de Kruijf pushte, fühlte ich mich schon etwas sicherer. Ditmars Hinweise waren schnell und gut umsetzbar. Doch fehlte noch etwas. Mirka erkannte dies sofort im Kontakt. Nur ein kleiner Hinweis: „Gib mir meine Energie doch einfach zurück.“ Lange Jahre erklärte ich bereits das klassische Taiji - Drehtürprinzip. Nimm die aufkommende Energie und gib sie zurück! Hier zeigt sich, dass Theorie, Üben und Praxis, doch noch mal etwas anderes sind. Der Effekt war im Inneren riesig. Was in der Theorie klar war und lange Jahre im Ting jin (Krafthören) geübt wurde, fand in die Umsetzung und berührte mich. Schlagartig wurde mir auf allen Ebenen bewusst, wie sehr ich dazu neige, eher zu schlucken. Wenn wir es schaffen, die Theorie und das Üben, wirklich in die Praxis umsetzen können, dann ist es uns wirklich zu eigen. Das Tuishou ist hierfür ein wunderbares Feld der sanften Erprobung.


Das zweite eindrückliche Erlebnis hatte ich im Unterricht bei Sasa Krauter. Tuishou als wirkliche innere Begegnung mit dem Gegenüber. Sasa bereitet in ihrem Unterricht den Kontakt mit dem Partner sehr intensiv vor. Als wir dann in den ersten Kontakt gegangen sind, war es nur leichte, anfänglich auch nur voreinander stehend, ohne Berührung, um weiter sowohl im inneren Gefühl zu bleiben, als auch den anderen wahrzunehmen. Ein intensives Erlebnis, welches weit über das bloße Tuishou spiel hinausgeht. Als ich mit Sasa in Kontakt ging, kamen mir ganz plötzlich tränen. So klar, halb im Inneren, halb im Außen. Ein wirklich tiefgreifender Moment.


So war ich dieses Wochenende Schüler und Lehrer zugleich. Durch all diese Erlebnisse wurde mir deutlich, was ich bisher erreichen durfte und gleichzeitig wie viel ich noch zu lernen habe. Es war toll und ein wahres Geschenk von Brigitte und Ditmar, dass sie mir diese Chance in meinen jungen Jahren ermöglicht haben.


Mein tiefster Dank an die beiden und alle anderen die am "Drachen und Tiger Treffen 2024" mitgewirkt haben. Zum Schluss durfte ich noch beobachten, wie der nächste junge Lehrerkollege angesprochen wurde, um nächstes Jahr zu unterrichten (Der Lehrer des jungen Kollegen, ist ein früherer Gong Fu Bruder meines ersten Taiji - Lehrers, eine schöne Verbindung, wie ich finde.).


Ich freu mich jetzt schon auf nächstes Jahr!


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Im Jahr2023 gab ich meinen ersten Taiji – Kurs an einer Volkshochschule in Verden. Während der ersten Einheit kam Eine Teilnehmerin etwas später dazu. Eine etwas ältere Frau, aber noch sehr beweglich und ihre Taiji – Qualität sprach für sich. Nach der Einheit sagte sie mir, dass sie bereits lange Jahre Taiji trainiert und selbst Unterricht gibt. Noch mehr damit beschäftigt meine Rolle als Lehrer auszufüllen, dachte ich mir nicht viel dabei. Vielleicht war ich sogar etwas besorgt: „jetzt habe ich jemanden im Kurs, die mir die ganze Zeit reinredet oder vielleicht von ihren Qualitäten als Lehrerin überzeugen möchte, um ihr Einzugsgebiet zu verteidigen“. Weit gefehlt. Brigitte kam zu fast jeder Kurseinheit. Ich wusste nicht wer sie war und dachte mir nichts weiter. Sie übte einfach mit und suchte nach den Einheiten den Kontakt zu mir. Sie frage mich sogar nach Vertiefungen in manchen Übungen. Eine Frau, die nach über 25 Jahren eigenen Training und Lehren, ein Neuling als Lehrer, nach seiner Ansicht fragt. In einen der letzten Einheiten lud sie mich dann zum „Drachen und Tiger Treffen 2023“ ein. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, um was für eine Veranstaltung es sich dabei handelte. „Vielleicht ein paar Taiji - Leute aus der nähe von Bremen, die sich für ein Wochenende treffen, um ein bisschen zu Pushen und ein schöne Zeit zu haben. Im Grunde genommen ist es das auch. Doch die Dimension ist ein wenig größer. Als ich am Campingplatz in Wildeshausen ankam, wurde mir langsam bewusst, wie groß das „Drachen und Tiger Treffen“ tatsächlich ist. 2023 war das 20. Jubiläum, was bedeutet, dass ich beim ersten Treffen noch zur Grundschule gegangen bin und noch nicht mal wusste, was Taiji ist. Eine ganze Wiese umringt mit Bussen und Zelten, in der Mitte ein Pavillon und hoch angesehene Lehrer aus ganz Deutschland waren anwesend.

Erst zu diesem Zeitpunkt erkannte ich, wer Brigitte eigentlich war. Sie war nicht einfach nur eine ältere Taiji -Lehrerin, sondern ein Urgestein der deutschen Taiji-Szene. So veränderte sich mein Bild schlagartig von ihr und mir wurde meine Hochmut bewusst. Brigitte ist ein herzensoffener Mensch, die keine Trennung zwischen Stilen, Alter oder Können sieht, sondern einfach daran interessiert, dass Menschen Taiji üben und zusammenkommen.

Brigitte übernahm die Organisation des „Drachen und Tiger Treffen“ nach dem der Gründer Luis Molera 2015 verstarb.

Sie war ein lebendiges Beispiel für Offenheit, die wir beim Üben bewahren sollten. Es geht nicht darum, dass ein bestimmter Taiji-Stil die ultimative Weisheit innehat, sondern vielmehr um die Prinzipien und den Weg, den wir beim Üben gehen. Ein wichtiger Teil dieses Weges ist die Offenheit in unseren Herzen, die wir kultivieren, wenn wir gemeinsam auf dem Weg sind.


„Willst du mit dem Qi üben, so musst du zuerst dein Herz klären“

要行氣先清心

(1.Herzuschuldungsformel des NeidanGong)


Die Geschichte, wie ich durch meine Begegnung mit Brigitte zum „Drachen und Tiger Treffen“ gekommen bin, ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Schüler vom hohen Ross herabsteigt, wenn der Lehrer ihm fortwährende Offenheit vorlebt. Ich möchte Brigitte besonders für diese wichtige Lektion danken.


So freue ich mich darauf, beim „Drachen und Tiger Treffen 2024“ dabei zu sein und die Gelegenheit zu haben, selbst zu unterrichten. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen, voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen. Die Offenheit und Herzlichkeit, die ich bei Brigitte erlebt habe, möchte ich gerne so weitergeben und gemeinsam mit anderen Taiji-Begeisterten den Weg des Übens und Lernens fortsetzen.


Alle weiteren Infos und Anmeldung unter taichichuan-bremen.de


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